Praxisbericht Arbeitsmedizin: Prof. Dr. Christian Feldhaus

Prof. Dr. Christian Feldhaus

Über das Thema Arbeitsmedizin und Betriebliches Gesundheitsmanagement möchten wir nicht nur theoretisch sondern auch praxisnah berichten. Deshalb werden wir in unserem Praxisbericht Arbeitsmedizin regelmäßig Menschen vorstellen, die in diesem Bereich tätig sind. Den Anfang macht Prof. Dr. Christian Feldhaus.

Zur Person: Prof. Dr. Christian Feldhaus ist Arzt für Arbeitsmedizin, Umweltmedizin und Sportmedizin. Er ist leitender Arbeitsmediziner des RWE-Konzerns und in dieser Rolle für alle Fragen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements im Unternehmen verantwortlich. Das Spektrum reicht von der Sicherstellung der gesetzlich geforderten Arbeitsmedizin über alle Facetten der Betrieblichen Gesundheitsförderung einschl. Verhaltens- sowie Verhältnisprävention bis hin zur Führungskräftebetreuung.

Neben seiner Tätigkeit im RWE-Konzern ist er Mitglied in zahlreichen Gremien und Verbänden, Vorsitzender des EVU-Ärztebundes und Lehrverantwortlicher für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin an der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen. Dr. Feldhaus ist verheiratet und Vater von drei Kindern.

Warum arbeiten Sie in der Präventivmedizin? Was war der entscheidende Auslöser für Sie, dieses Fachgebiet zu wählen?

Prof. Dr. Christian Feldhaus: Bereits im 7. Semester an der Uni in Münster im Kurs von Frau Prof. Dr. Ute Witting, Lehrstuhl für Arbeitsmedizin war für mich klar, dass dieses Fachgebiet genau das ist, was ich machen will. Ich wollte dazu beitragen, Menschen im Berufsleben gesund zu halten und Erkrankungen verhindern. Ich habe dann direkt nach vier Jahren klinischer Weiterbildung meinen Facharzt für Arbeitsmedizin gemacht. Ich wollte nie wechseln – Präventivmedizin war für mich das einzige in Frage kommende Fach. Dazu kam die ausschlaggebende Erkenntnis und die Überzeugung, dass es ein viel größerer Segen ist, die Menschen gar nicht erst krank werden zu lassen, als später ein vielfaches an finanziellen Mitteln in die Heilung stecken zu müssen. Und nicht zuletzt macht mir der Job, dafür zu sorgen, dass die Menschen im Beruf gesund bleiben, riesigen Spaß.

Welche Erwartungen hatten Sie? Haben sich diese erfüllt? Was ist der bedeutendste Unterschied zur kurativen Medizin?

Prof. Dr. Christian Feldhaus: Auch heute kann ich sagen, es war die beste Entscheidung meines Lebens, als Fachgebiet die Arbeitsmedizin zu wählen. Besonders gefällt mir der ganzheitliche Ansatz. Wir betreuen als Arbeitsmediziner unsere Patienten – den Mitarbeiter – in allen Belangen und bedienen das gesamte Spektrum der landläufigen Diagnostik. Hier hat es der Arzt mit jedem Fachgebiet zu tun, wie z.B. Dermatologie, Orthopädie, Pneumologie, Allergologie, Psychiatrie (insbesondere bei Schlagworten wie Burnout oder Mobbing). Dazu gehört auch das Thema Team-Entwicklung. Themen wie Mutterschutz, Jugendarbeit, Sozialmedizin – sprich Wiedereingliederung nach längerem Ausfall des Mitarbeiters – sind ebenfalls Tagesgeschäft. In der Präventivmedizin begleitet man seine „Patienten“ quasi ein Berufsleben lang. Dadurch hat man als Arzt ein vielfach Höheres an Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Lebensumstände und kann viel Positives bewirken. Der Betriebsarzt hat viel mehr Zeit für den Patienten als jeder Hausarzt und kann so umfangreiche Maßnahmen zur Früherkennung von z.B. Krebserkrankungen veranlassen. Neben den medizinischen Aufgaben sind auch Managementaufgaben von großer Bedeutung, Analyse der Fehlzeiten, Erstellung von Statistiken und natürlich das Thema Führung. Wir bei RWE haben in Bezug auf die Gesundheit das modernste Kennzahlen Management Tool Europas. Forschung zum Präsentismus / Absentismus sind große Themen. Hier gibt es unterschiedliche Gründe, warum sich Arbeitnehmer krank melden. Einfluss nimmt z.B. welche Rolle die Arbeit im Leben einnimmt und welchen gesellschaftlichen Stellenwert sie hat.

Was empfehlen Sie Kollegen, die über den Schritt nachdenken, in die Arbeitsmedizin zu wechseln?

Prof. Dr. Christian Feldhaus: Eine breite klinische Ausbildung ohne Spezialistentum und ganz viel Freude am Kontakt mit vielen Menschen. Ernährungsmedizin oder auch Sportmedizin bilden eine großartige Basis für die Arbeit als Betriebs- bzw. Arbeitsmediziner. Natürlich sollte man auch Enthusiasmus an der Präventivmedizin mitbringen! Wie gesagt, das ist der spannendste und interessanteste Job, den man sich vorstellen kann. Neben den umfangreichen medizinischen Aufgaben gehört auch viel Managementtätigkeit dazu. So haben wir bei uns z.B. eigene Fitnesscenter an allen großen Standorten eingerichtet, die koordiniert werden müssen.

Wie schätzen Sie das Berufsbild heute und in der Zukunft ein? Was läuft schon gut? Woran sollte Ihrer Meinung nach noch gearbeitet werden. 

Prof. Dr. Christian Feldhaus: Das Image des Berufsbildes ist immer noch nicht realistisch und bei den meisten Medizinstudenten und Medizinern eher negativ und minderwertig besetzt. Schon Prof. Brinkmann aus der Schwarzwaldklinik hat einen an den Händen verletzten Kollegen mit den Worten zu trösten versucht: „Du kannst zwar nicht mehr operieren, aber Dich ein bisschen um die Betriebsmedizin hier in der Klink kümmern“. Ein Arbeitsmediziner hat auch heute oft noch das Image, ein Arzt zweiter Klasse zu sein. Der Ärztemangel hat uns in Deutschland bereits in allen Fachrichtungen erreicht. Insbesondere die Präventivmedizin mit einem immer noch relativ unattraktiven Renommee wird tendenziell eher defensiv betrachtet. Meiner Meinung nach sollte das Fachgebiet bereits im Studium stärker beworben werden. Gut wäre, wenn Dozenten und Professoren aus der Praxis kämen und mit möglichst viel Begeisterung den spannenden und vielschichtigen Arbeitsalltag in die Vorlesungen mit einfließen ließen. Grundsätzlich sollten mehr Anreize für Ärzte geschaffen werden, Maßnahmen in der Präventivmedizin stärker auszubauen, indem beispielsweise die Etats anders und vor allem gerechter verteilt werden. In den USA z.B. gehen 99% des Gesundheitsetats in die kurative Medizin und folglich wird nur 1 % der Ausgaben für präventive Maßnahmen verwendet. In Deutschland liegt die Zahl der Etats für kurative Medizin vermutlich inzwischen etwas niedriger, dennoch wird zu wenig in Prävention investiert. Statt frühzeitig in präventive Maßnahmen zu investieren, werden später deutlich höhere finanzielle Mittel für die Heilung von Krankheiten ausgegeben. Das sollte man ändern.

Herzlichen Dank für das Interview!