Geschlechtergerechte Kommunikation im Bewerbungsprozess – warum das Gendersternchen nicht alles ist

Geschlechtergerechte Kommunikation DocatworkMit Gendersternchen & Co auf dem Irrweg?

Über Gendersternchen & Co. wird seit geraumer Zeit heiß und kontrovers diskutiert. Die einen sind dafür, weil sie hiermit die gesellschaftliche Entwicklung unterstützen wollen, alle Menschengruppen in der Sprache sichtbar zu machen. Ihnen geht es um Gerechtigkeit innerhalb einer diversen Gesellschaft. Die anderen sehen sich als Sprachhüter und sorgen sich um eine Verunglimpfung der deutschen Sprache.

Empfehlung des Rats für deutsche Rechtschreibung

Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat sich 2022 wiederholt für geschlechtergerechte Sprache ausgesprochen. Gendersternchen & Co indes gelten keinesfalls als Ideallösung. Texte müssen vor allem gut lesbar und verständlich bleiben. Rund 12 Prozent der Erwachsenen in Deutschland haben Schwierigkeiten beim Lesen oder Schreiben. Dieser Personenkreis dürfe nicht ausgeschlossen werden. Diese Meinung vertritt das internationale Konsortium, dem 41 Experten aus DACH, Lichtenstein, Bozen-Südtirol und der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens angehören. Sie bleiben bei der Empfehlung, dass Verwaltungen, Behörden und Schulen weiterhin die altbewährten Schreibweisen verwenden sollten.

Gesellschaft ist divers und bunt – immer schon gewesen, nur jetzt sichtbarer

Die Gesellschaft hat sich immer schon im Wandel befunden. Anfang des 20. Jahrhunderts fangen die ersten Frauen an, für ihre Rechte und Bildung zu kämpfen. Zunächst setzen sie das Wahlrecht für Frauen durch und die Möglichkeit zu studieren und sich beruflich zu engagieren. Für uns heute unvorstellbar: Erst seit 1977 darf die Frau ihren Arbeitsvertrag selbst unterschreiben. Es folgen bis in die heutige Zeit Themen wie Frauenquote, Lohngleichheit und zuletzt Gendern.

Natürlich haben wir bei Docatwork intensiv überlegt, wie wir mit diesem Thema umgehen wollen. Völlig unstrittig ist für uns, die Gesellschaft als divers zu akzeptieren und Persönlichkeitsrechte in jedem Fall zu respektieren. Wir stehen dem gesellschaftlichen Wandel offen gegenüber und schließen niemanden wissentlich aus.

Das ist einer der Gründe, warum wir uns dafür entschieden haben, gendergerechte Sprache zu verwenden. Sowohl in sämtlichen Marketingmaßnahmen als auch in unserer gesamten Kommunikation. Für uns als Personalberatung sind Stellenanzeigen ein wichtiges Instrument im Bewerbungsprozess, wenn wir für unsere Kunden passende Arbeitsmediziner*innen suchen.

Abschreckend oder verlockend? Wer soll sich angesprochen fühlen?

Das Gendersternchen ist eine Sache. Es gibt aber noch einen weiteren wichtigen Aspekt, den wir in diesem Prozess der Ansprache keinesfalls außer acht lassen wollen. Bevor wir in den Suchprozess einsteigen, klären wir gemeinsam mit dem Unternehmen, wer konkret für die vakante Stelle gebraucht wird. Wir kennen es alle: Manche Systeme vertragen eine weibliche Kollegin besser als einen männlichen Kollegen.

Danach richten wir unsere Formulierungen aus. Männer sprechen nachgewiesenermaßen eine andere Sprache als Frauen. Es gibt Begriffe, von denen sich speziell das männliche Geschlecht angesprochen fühlt. Das sind sogenannte agentische Wörter.

Zu dieser Wortgruppe gehört beispielsweise das Attribut „Durchsetzungsfähigkeit“, ein Begriff, der häufig in Stellenanzeigen verwendet wird, wenn Führungskräfte gesucht werden. Dabei wird schnell unterschätzt, welche Kräfte diese Wahl der Worte freisetzen können. Durchsetzungsfähigkeit ist ein harter Terminus, der den Männern in der Regel entgegenkommt. Sie fühlen sich sofort angesprochen. Bei Frauen ist es genau andersherum, die sich eher von dieser Wortwahl abgestoßen fühlen.

Mit der Wahl kommunaler, sprich weiblicher Wörter, bin ich auf der sicheren Seite und erreiche sowohl interessierte Bewerberinnen als auch Bewerber.

Möchte ich die vakante Stelle mit einer Frau besetzen, wären Beschreibungen wie „Mitarbeitende in Teams integrieren“ oder „Prozesse der Meinungsbildung voranbringen“ zielführender. Nutze ich also Formulierungen wie zum Beispiel “integrative Teamarbeit”, begeistere ich damit Frauen. In diesem Fall schreckt es Männer zwar nicht ab, aber sehr wahrscheinlich fühlen sie sich an dieser Stelle weniger angesprochen. Folglich werden sie sich auf die ausgeschriebene Stelle nicht bewerben. Fast könnte man sinngemäß meinen: “Ohne den notwendigen Einsatz von Ellenbogen macht mir der Job als Mann keinen Spaß.”

Erfolgreiche Führung ist heute mehr als „schnödes“ Top-Down-Management

Damit möchte ich keinesfalls behaupten, dass Frauen per se die besseren Führungskräfte sind. Bitte nicht falsch verstehen. Die Erkenntnis darüber, dass erfolgreiche Führung heute auf Augenhöhe und nicht per Dekret stattfindet, ist geschlechterübergreifend erfolgt. Heute muss ich als führungsverantwortliche Person in der Lage sein, meine Mitarbeitenden ehrlich zu überzeugen, indem ich sie mitnehme und begeistere. Dazu gehört ebenfalls, kontrovers mit ihnen zu diskutieren und mich selbst skeptischen oder auch kritischen Fragen zu stellen. Das wird heute unter dem männlich konnotierten Begriff “Durchsetzungsfähigkeit” verstanden, gilt aber natürlich für jede Person. Egal ob weiblich, männlich oder divers.

Potenziale im Bereich Teilzeit-Frauen heben

Immer mehr Väter entscheiden sich heute dafür, für eine gewisse Zeit in Teilzeit zu arbeiten und sich zu Hause gleichberechtigt um Kindererziehung und Haushalt zu engagieren. Die Anzahl wächst kontinuierlich und hat 2013 die Marke von 10 % überschritten. Tendenz steigend. Die Quote der Frauen liegt mit knapp 48 Prozent deutlich darüber. Noch immer bleibt der Großteil von Müttern jüngerer Kinder entweder ganz zu Hause oder sucht sich eine Teilzeitstelle. Nicht alle verzichten freiwillig auf ihre Karriere. Zu Beginn, wenn die Kinder noch klein sind, sehen erwerbstätige Mütter hierin die einzige Möglichkeit, Familie und Beruf zu vereinbaren. Werden Kinder größer und selbstständiger, stecken die Frauen häufig in einer Zwickmühle. Stocken sie Stunden auf? Bewerben sie sich neu? Schaffen sie das überhaupt?

In unseren Personalgesprächen stellen wir wiederholt fest, dass Frauen zu einem „übertriebenen“ Perfektionismus neigen. Dieser steht ihnen in ihrer Entscheidung der beruflichen Orientierung immens im Karriere-Weg. Unsicherheiten schwingen mit, ob sie die Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle erfüllen und ihrer Aufgabe gerecht werden können. Das führt dazu, dass sie sich erst gar nicht auf Stellen bewerben, für die Stelle möglicherweise bestens geeignet sind.

Gerade in Zeiten des aktuellen Fachkräftemangels ist diese Situation natürlich fatal. Hier müssen wir umdenken, denn wir sehen bei dieser wertvollen Personengruppe ein hohes Potenzial, sie für den Arbeitsmarkt zu aktivieren.

An dieser Stelle können wir als Personalberatung einiges tun. Wir sprechen gezielt Frauen an und formulieren Stellenbeschreibungen in inklusiver Sprache. Dabei verwenden wir primär weibliche Wörter.

Fazit

Ich halte es für unbedingt notwendig, dass wir uns im Recruiting kontinuierlich mit diesem Zeitgeist beschäftigen. Wir müssen auf gesellschaftliche Entwicklungen reagieren und uns auch in unserer Kommunikation darauf einstellen. Damit sich alle Bewerber*innen willkommen und respektiert fühlen und die Jobs machen, die langfristig zu ihnen passen.