Sind Roboter die besseren Talentjäger?

Sind Roboter die besserenSind Roboter die besseren Talentjäger - DocatworkÜbernehmen Roboter zukünftig das klassische Headhunting?

Künstliche Intelligenz (KI) ist in aller Munde. Und KI erobert die Welt. Welchen Einfluss hat künstliche Intelligenz bereits heute schon auf das Recruiting von neuen Mitarbeitern? Müssen sich Kandidaten darauf einstellen, in naher Zukunft von Robotern angeworben zu werden? Hat der klassische, sprich menschliche Headhunter bald ausgedient?

Im Interview mit Guido Lysk, verrät dieser uns seine Ansichten zu diesem Thema:

Immer häufiger hören wir davon, wie künstliche Intelligenz, also Roboter, das Leben der Menschen erleichtert. Vielen ist sie im täglichen Leben schon heute ein angenehmer Weg Begleiter. Denken wir an den automatischen Rasenmäher oder auch das Navigationssystem, welches uns heute den optimalen Weg weist und dabei zusätzlich auf explizite Bitte hin, die Wunschperson anruft.

Herr Lysk, Sie sind seit über 20 Jahren im Recruiting tätig. Können Sie sich vorstellen, dass ein Roboter eines Tages Ihren Job als Recruiter übernimmt?

Guido Lysk:
Also, mit ganz viel Phantasie: Tatsächlich! Ja! Eines Tages könnte das sicherlich so sein. Ich wage sogar die These, dass diese Kollegen die besseren Personaler sein werden. Auf jeden Fall objektiver, sachlicher und damit auch fairer. Sie werden in der Lage sein, komplett wertfrei zu urteilen, ohne das menschliche Manko der subjektiven Prägung einer jeden Person dabei mitzutragen. Vorurteile, persönliche Vorlieben und Assoziationen sowie Emotionsgetriebenheit gehören untrennbar zum Menschen. Wirklich objektiv sein und urteilen kann kein Mensch.

Bis KI unseren Job übernehmen kann, ist es allerdings noch ein ziemlich weiter Weg.

Man muss bedenken, dass dieser Rasenmäher – um bei Ihrem Beispiel zu bleiben – nur eine eindimensionale Lösung abarbeiten kann, nämlich auf einer Fläche zu mähen oder nicht zu mähen. Er ist zwar auch ein Roboter, aber als solcher nur in der Lage, eine einzige Dimension zu erfassen. Und auch Kartensysteme, die vielleicht heute schon Wegbeschreibungen dynamisch verändern können, sind lediglich imstande, eine kleine lineare Optimierung oder Programmierung vorzunehmen. Deshalb sind diese kleinen Helfer für den jeweiligen Zweck sicherlich sehr sinnvoll und dienlich. Aber für ein erfolgreiches Recruiting reicht diese Fähigkeit bei weitem nicht aus.

Die Auswahlprozesse für Kandidaten, für Menschen, die auf eine Stelle passen, sind so mannigfaltig, dass die Roboter hier gänzlich überfordert wären. Subjektive Kriterien, wie Auftreten und Verhalten des Bewerbers im gesamten Prozess, fließen enorm in die Bewertung ein. Genauso wie zwischenmenschliche Sujets. Darunter fallen z. B. Wahrnehmungsthemen wie Begrüßung, Händedruck, allgemeine Körpersprache mit Mimik und Gestik oder der Einfluss der Stimme, ihre Lautstärke und Sprachintensität, Wortwahl und Geschwindigkeit. Und so weiter und sofort…

Wahrscheinlich dauert es noch viele Generationen, bevor dieser Prozess von KI übernommen werden kann.

Wir haben beispielsweise eine ganz interessante Erfahrung mit der Online Job-Plattform „Stepstone“ gemacht. Hier gibt es Suchagenten, die, sobald wir eine Stelle geschaltet haben, bestimmte Kandidaten aus dem System filtern und stante pede vorschlagen. Klingt im ersten Moment ja ganz smart. Allerdings haben wir dabei feststellen müssen, dass diese Funktion der Kandidatenpräsentation eine Mismatching-Quote von ungefähr 99,5% aufwies. Wir haben es nach einer gewissen Zeit wieder gelassen. Es funktioniert heute einfach noch nicht. Hinzu kommt, dass KI heute auch noch nicht in der Lage ist, sog. „schlummernde“ Potenziale bei einem Bewerber zu erkennen, die er für den neuen Job mitbringt. Vor allem dann, wenn er gefragte Anforderungen auf dem Papier nicht erfüllt.

Deshalb ist dieses ganze System zurzeit m. E. noch Zeitverschwendung. Aber das wird sich ändern.

Irgendwann wird es aber sicherlich möglich sein. Und irgendwann einmal werden intelligente Systeme Auswahlprozesse darstellen können. Aber heute ist das, nach meinem Verständnis und meinen Qualitätsansprüchen, noch unmöglich.

 

Aber was ist denn Ihrer Meinung nach der entscheidende Unterschied zum menschlichen Recruiter? Der Roboter ist doch heute in der Lage anhand von smarten Programmen und Algorithmen die vorhandene Qualifikation eines Bewerbers zu analysieren und damit den perfekten Kandidaten auszuwählen. Das Beispiel Stepstone widerspricht dem Ganzen allerdings ja eher.

Lysk
Es sind die vielen Faktoren, die für eine Positionsbesetzung relevant sind. Für den Bewerber ist – ganz abgesehen von der Gehaltsvorstellung – z. B. oft wichtig, wie groß die Entfernung zum Arbeitgeber ist, aber auch die Chemie zwischen den Mitarbeitern, die Teamgröße, die Einbettung der Struktur, sprich wo im Unternehmen ist die zukünftige Abteilung organisiert und angesiedelt? An wen wird berichtet?

All diese Punkte können für ihn entscheidend sein. So eine Stelle hat bestimmt 20 verschiedene Dimensionen.

Dazu können auch regionale Präferenzen gehören, die im Zusammenhang mit verschiedenen Hintergründen stehen. Familiäre Hintergründe, lokale Gegebenheiten können eine Rolle spielen, Erreichbarkeit über Flughäfen, etc. Natürlich ist auch der Ruf eines Unternehmens oder einer Branche von Bedeutung. Mit welchem Markenbild möchte man sich identifizieren?

Auch das Thema Gesundheit kann relevant sein. Was wird im Unternehmen für die Mitarbeiter getan? Welche Präventivmaßnahmen werden hier angeboten?

Nicht zu vergessen ist auch das eigene Freizeitverhalten oftmals ein Kriterium – aber nicht nur das kann eine Rolle spielen, sondern auch dass der der Ehepartner oder Kinder…

All diese Dinge sind natürlich zu berücksichtigen und können in der komplexen Erfassung heute erstmal nur von Menschen realisiert werden und nicht von Maschinen. Diese Punkte kann ein System in ihrer Gesamtheit noch nicht im Detail abbilden.

Und darum bin ich der Meinung, dass heutzutage maximal Teilprozesse von KI übernommen werden können.

 

.. weil sie momentan noch eindimensional agieren…

Lysk
Ja, genau. Und auch, weil sie zu wenig Hintergrund haben, um diese Parameter zu berücksichtigen. Diese vorher zu beschreiben und entsprechend danach zu suchen, ist einfach für ein System heute noch zu komplex.

Das kann sich morgen aber schon ändern. Und dann kann es sicherlich möglich sein, Teilprozesse oder sogar Gesamtprozesse abzubilden. Aber zurzeit, wie gesagt, geht das noch nicht.

 

Was kann KI bereits heute leisten? Wo stehen wir heute? Wäre er Ihres Erachtens jetzt schon in der Lage, Routinearbeiten zu übernehmen?

Lysk
Ja, z. B. könnte man elektronische Anrufe starten mit einer geringen Differenzierbarkeit. Dazu gehören Fragen, wie, „Ist der Ansprechpartner wechselwillig: ja oder nein?“, „In welcher Gehaltsspanne bewegt er sich?“ oder auch die Frage nach „Gibt es regionale Präferenzen?“. Das ist heute sicherlich schon möglich.

Aber sobald es um die Beantwortung von Fragen geht, die über Standardthemen hinausgehen, wird es dann schon wieder sehr schwierig.

 

Könnte er z. B. Ansprechpartner recherchieren und herausfinden, wer auf welcher Position sitzt, inkl. Telefonnummer – also diese klassischen Recherchemaßnahmen eben…

Lysk
Auf keinen Fall. Die heutige Direktansprache läuft über Menschen, die mit sog. Cover-Stories erreichen, dass ihnen überhaupt jemand Namen und Kontaktdaten nennt. Ein normales System, was versucht über den offiziellen Weg irgendwelche Daten zu bekommen, ist heute ausgeschlossen. Die Unternehmen geben keine Daten heraus – auch gerade nach der letzten Datenschutz-Verordnung nochmal weniger.

Wir müssen da schon mit einer gewissen menschlichen Intelligenz vorgehen, um solche Dinge zu bekommen und vielleicht auch mal Schwachstellen im System nutzen, um danach zu suchen. Und natürlich auch das zu finden bzw. auszunutzen.

 

Das heißt, wir können ihn noch nicht einsetzen wie z. B. für Recherchezwecke? Auch nicht für telefonische?

Lysk
Wie gesagt, für Recherchezwecke können wir KI nicht einsetzen, aber für die Ansprache jemandem Informationen zukommen zu lassen, auf einer gewissen Basis, das wäre durchaus maschinell möglich.

 

Würde Ihrer Klientel das akzeptieren? Wie schätzen Sie das ein?

Lysk:
Also heute sicherlich noch nicht – das würde eher befremdlich wirken. Auch wenn wir Menschen gerade anfangen, uns daran zu gewöhnen mit KI’s zu sprechen.

Ich denke ganz konkret an die smarten Assistenten Alexa, Siri & Co. die schon heute in der Lage sind, uns auf Zuruf Wünsche zu erfüllen. Sei es Online Bestellung aufzugeben, Wissensfragen zu beantworten oder auch die Lieblingsmusik abzuspielen. Es ist aber immer noch ein eher privater Spaß. Und wenn es nicht ganz klappt, wird es auch nicht als sehr schlimm empfunden. Die Toleranzgrenze ist  an dieser Stelle recht hoch.

Im Bereich des Recruitings hingegen sieht es allerdings ganz anders aus. Ich glaube, solch ein Einsatz wird heute  – sogar auch in den nächsten Jahren – ERSTMAL nicht zustande kommen, aber ausschließen würde ich das niemals.

Weil ich glaube, dass irgendwann die intelligenten Systeme das leisten können. Also vorstellbar ist es, aber heute, zumindest meiner Meinung nach, noch nicht realisierbar.

Na, dann sind wir mal gespannt, was in den nächsten Jahren noch so alles passiert. Vielen Dank für das Interview!